Die Portfoliopflege für langfristige Investoren ist denkbar einfach. Langfristige Investoren versuchen nicht, kurzfristig den Markt zu schlagen, denn sie wissen, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist, nicht einmal der weltberühmte Investor Warren Buffet versucht dies. Langfristige Investoren kümmern sich schon gar nicht um die sogenannte moderne Portfoliotheorie von Markowitz. Harry Markowitz hat dafür zwar den Nobelpreis erhalten, als es dann aber um seine eigene Portfolioverwaltung ging, hat er sich nicht um sie gekümmert, denn er wusste wohl, dass sich deren theoretische Eleganz in der Praxis kaum umsetzen lässt, weil wichtige Inputs dafür in der Realität gar nicht beobachtbar sind. Wenn sich Harry Markowitz nicht um seine moderne Portfoliotheorie kümmert, müssen Sie das auch nicht.
Langfristige Investoren müssen bei der Portfoliopflege nur eins tun: die Vorteile der Diversifikation dem Aufwand gegenüber stellen, viele Aktien gleichzeitig zu halten. Wir nennen dies das Königs-Prinzip der Portfoliopflege. Je mehr Aktien sie haben, desto besser sind Sie diversifiziert, desto geringer ist das Risiko, aber desto höher ist auch der Pflegeaufwand.
Diversifizieren kann man bei Aktien auf zwei Arten: nach Region und nach Branche. Die norwegischen Finanzwissenschaftler Paul Ehling und Sofia B. Ramos haben nachgewiesen, dass es beides braucht. Leider gibt es weder für das eine, noch für das andere klare Grundsätze.
Bei der Region ist unklar, welcher Region eine Aktie überhaupt zugeordnet werden kann. Ist Nestlé eine Schweizer Aktien, wenn 98% des Umsatzes im Ausland erzielt wird? Genauso wenig ist Apple eine reine US-amerikanische Aktie, denn auch hier sind Produktion und Vertrieb zu einem grossen Teil ausserhalb der Vereinigten Staaten.
Bei der Branche ist es nicht einfacher. Sind Fluglinien und Reisebus-Unternehmen in der gleichen Branche? Beides sind Reiseunternehmen. Wenn aber die Piloten streiken, dann profitieren die Reisebus-Unternehmen. In diesem Sinne sind Reisebus-Unternehmen eine gute Diversifikation für Fluglinien und folglich nicht in der gleichen Branche.
Trotzdem müssen Sie als Anleger entscheiden, wie viel Geld Sie wo investieren. Hier ist die einfachste Lösung, nämlich die Gleichgewichtung der Anlagen, offenbar auch die beste. Das hat nämlich der ehemalige UBS Chefökonom Klaus Wellershoff in seinem neusten Buch veröffentlicht. Sein hochkarätiges Team bei der Schweizer Grossbank hat verschiedenste Gewichtungsverfahren getestet und die Gleichgewichtung als Sieger erkoren. Der US-amerikanische Broker Bridgewater kam zu einem ähnlichen Ergebnis, nachdem ein ganzes Jahrhundert Aktienanlagen in globalen Märkten analysiert wurden. Zwar war der US Markt im untersuchten Jahrhundert der beste, aber eine globale Gleichgewichtung des Portfolios hätte praktisch dasselbe Ergebnis erzielt. Das ist deshalb möglich, weil globale Märkte wie Frankreich, England und Deutschland zwar die Weltkriege erlitten, danach in der Erholung aber einzigartige Renditen erzielten, welche die Krisen wieder kompensierten.
Es gibt nach der Meinung von Obermatt CEO Dr. Hermann J. Stern eine gute Grundregel. Stellen Sie sicher, dass Ihr Portfolio weder in einer Region noch in einer Branche konzentriert ist. Dann sind Sie ziemlich gut diversifiziert.
Bei der Anzahl Aktien, die Sie im Portfolio brauchen, konnten Wissenschaftler aber einiges herausfinden. Meir Statman von der Universität Washington empfiehlt mindestens dreissig, besser aber vierzig bis fünfzig Aktien.
Das heisst aber nicht, dass Sie sofort mindestens dreissig Aktien besitzen müssen. Kaufen Sie zuerst einmal eine Aktie, aber nur mit einem kleinen Anteil von vielleicht zwei bis fünf Prozent von Ihrem Anlagevermögen. Nach einem Monat kaufen Sie wieder eine Aktie und so bauen Sie Ihr diversifiziertes Portfolio auf.
Wer keine grosse Summe zum Anlegen hat, sondern einfach jedes Jahr etwas auf die Seite legen möchte, der hat es noch einfacher. Dr. Stern empfiehlt dann zwei- bis viermal im Jahr zu investieren. So liegen nach einem Jahr vier Aktien im Portfolio und nach fünf Jahren sind es dann schon zwanzig Aktien.
Man kann einwenden, dass man dann am Anfang gar nicht diversifiziert ist. Das stimmt aber nicht, denn man muss den ganzen Anlagebetrag zum Vergleich beiziehen, also auch die zukünftigen, noch anzulegenden Gelder. So ist der Anlagebetrag in der ersten Aktie nur ein ganz kleiner Bruchteil des später einmal angelegten Investitionsbetrags.
Das Königs-Prinzip lautet also:
- Stellen Sie sicher, dass Sie viele, breit gestreute Aktien haben, am Schluss mehr als dreissig unterschiedliche Unternehmen
- Investieren Sie in grosse Unternehmen, denn diese Unternehmen sind durch die operativen Aktivitäten schon diversifiziert
- Verkaufen Sie die kleinen Anteile im Portfolio, denn dieses sind den Aufwand nicht wert
Versuchen Sie nicht, den besten Zeitpunkt zum Kaufen und Verkaufen zu finden, denn diesen gibt es nicht. Merken Sie sich einfach, dass Sie breit diversifiziert sein müssen und dies nur gegenüber dem Aufwand abwägen müssen, den es braucht, um viele Aktien zu pflegen.