12. Juni 2025

Der Vorteil des Kleinanlegers


Der Vorteil des Kleinanlegers

Seit Jahren wird uns erzählt, dass der Aktienmarkt ein Spiel sei, das man besser den „Profis“ an der Wall Street überlassen sollte. Doch Recherchen zeigen in eine andere Richtung: Der SPIVA U.S. Scorecard der S&P Dow Jones Indices zeigt, dass über einen Zeitraum von 15 Jahren mehr als 90 % der aktiv verwalteten Aktienfonds hinter ihren Vergleichsindizes zurückbleiben. Welche Chance hat da ein gewöhnlicher Anleger, wenn selbst Vollzeit-Profis mit Analystenteams und Handelsräumen nicht besser abschneiden als ein kostengünstiger Indexfonds?

Paradoxerweise eine ziemlich gute. Gerade weil Privatanleger nicht unter der Last von Fondsgrösse, Gebühren und kurzfristigem Erfolgsdruck leiden, können sie Nischen ausnutzen, flexibel handeln und langfristige Positionen halten, welches grosse Fonds nicht machen können. Mit Disziplin und einem langfristigen Denken ist das sogenannte „Dumb Money“ gar nicht so dumm; es ist strassenschlau.

Verhaltensvorteile: Geduld und Unabhängigkeit

Freiheit von der Herde

Für professionelle Fondsmanager ist es oft überlebenswichtig, mit dem Strom zu schwimmen: Unterperformance kann zu Kapitalabflüssen führen und Karrieren beenden. Selbst wenn ein Manager eine massive Fehlbewertung im Markt erkennt, ist es sicherer, nahe am Index zu bleiben, als das Risiko zu nehmen und seinem Instinkt zu folgen. Um von einer konträren Idee zu profitieren, muss er oder sie in drei Punkten richtig liegen: Analyse, Timing und Kommunikation mit den Investoren. Ein Investment, das zu früh getätigt wird (auch wenn es sich später als richtig erweist), belastet die Performance und führt schnell zu massenhaften Rückzügen von Investoren. Wenn die Investoren des Fonds nicht mitziehen, muss die Position geschlossen werden. Der Privatanleger hingegen muss nur seiner eigenen Überzeugung und seinem eigenen Zeithorizont folgen und keinen Kompromiss eingehen.

  • Michael Burrys Kauf von Credit Default Swaps auf Subprime-Hypotheken im Jahr 2005 ist das Paradebeispiel: Zwei Jahre lang verlor sein Fonds Geld, da er Prämien zahlen musste, während die Immobilienpreise weiter stiegen. Verärgerte Investoren forderten ihr Geld zurück, Burry musste Auszahlungen begrenzen – bis der Trade 2007/08 aufging. Die meisten Manager ziehen es vor, im Schutz der Masse zu bleiben: Wenn der ganze Markt fällt, sind sie „nur“ gemeinsam schlechter.

Langfristige Perspektive und „Zeit-Arbitrage“

Professionelle Geldverwalter leben in einer Welt voller Quartalsberichte, Anlegerflucht und Karriereängsten. Der kleine, selbstbestimmte Anleger hat diesen Druck nicht; er kann in Jahren denken statt in Monaten. Zeit ist der grösste Verbündete des Privatanlegers: Man kann eine solide Aktie durch vorübergehende Rückschläge halten, bis der Markt ihren wahren Wert erkennt.

  • Ben Graham, der Vater des Value Investing, hat es treffend formuliert: „Kurzfristig ist der Markt eine Abstimmungsmaschine, langfristig aber eine Waage.“ Unabhängige Anleger können die Stimmungsschwankungen von Mr. Market ignorieren, bis die Waage übernimmt – ein Vorteil, den Profis an der Wall Street selten haben.

Strukturelle Vorteile: Freiheit von Zwängen

Keine erzwungene Diversifikation

Grosse Fonds halten oft Hunderte von Aktien, um einen Index abzubilden oder regulatorischen Anforderungen zu genügen – auch wenn das bedeutet, mittelmässige oder sogar schlechte Titel zu besitzen. Privatanleger müssen nicht überdiversifizieren oder Titel halten, die ihnen nicht gefallen. Man kann ein fokussiertes Portfolio mit den besten Ideen führen, genau wie Warren Buffett, und muss nicht jede Index-Schwergewicht kaufen. Gewinner können sich so voll entfalten und die Gesamtrendite deutlich erhöhen.

Grösseres Anlageuniversum

Institutionelle Anleger konzentrieren sich fast ausschließlich auf grosse, liquide Titel. Kleine Unternehmen und Sondersituationen (Fusionen, Abspaltungen etc.) werden viel weniger analysiert; ein fruchtbares Feld für Privatanleger.

  • Buffett sagte einmal, dass er mit nur einer Million US-Dollar „garantiert 50 % Rendite pro Jahr“ machen könnte – in genau diesen vernachlässigten Bereichen. Ob das wörtlich stimmt oder nicht, der Geist dieser Aussage bleibt: Kleine Anleger können dort investieren, wo grosse Fonds gar nicht hinkommen.

Schneller Ein- und Ausstieg

Ein großer Fonds muss oft hunderte Millionen oder sogar Milliarden bewegen – und bewegt dabei ungewollt den Markt gegen sich selbst. Ein kleiner Anleger kann leise und günstig ein- und aussteigen, oft in wenigen Minuten. Es gibt kein Investmentkomitee oder starres Mandat, das strategische Änderungen verhindert und vor allem: Man kann auch einfach in Bargeld bleiben, wenn die Märkte überhitzt wirken. Die wenigsten Profis dürfen das. Noch schlimmer: Viele Fondsmanager dürfen nicht einmal komplett in Cash gehen, selbst wenn sie einen Crash vermuten; ein Privatanleger kann hingegen genau das tun, wie es unsere Familie derzeit größtenteils macht.

Geringere Kosten

Ein institutioneller Fonds verursacht viele Kosten: Gehälter, Compliance, Marketing, Verwahrung, IT, vieles davon taucht gar nicht in der Total Expense Ratio (TER) auf. Diese verschweigt indirekte Kosten wie Transaktionsspesen, Spreads und Opportunitätskosten. Selbstbestimmte Anleger vermeiden fast alle diese Posten. Mit modernen Online-Brokern sind Transaktionskosten auf ein Minimum gesunken und es fallen keine Verwaltungs- oder Performance-Gebühren an, die die Rendite schmälern. Jeder Basispunkt, den man nicht zahlt, wächst über die Zeit exponentiell.

Fazit: Nutze den Vorteil des kleinen Anlegers

Der Mythos, dass Privatanleger zwangsläufig unterdurchschnittlich abschneiden, ist genau das, ein Mythos. Das Spielfeld war nie ausgeglichener, und in vielerlei Hinsicht ist es inzwischen sogar zugunsten der Kleinen gekippt. Mit Geduld, Unabhängigkeit und einem Gespür für übersehene Chancen kann man sich vom kurzfristigen Denken und Benchmark-Fokus institutioneller Portfolios absetzen. Kombiniert man diese strukturellen Freiheiten mit den heutigen Analysewerkzeugen, kann man Unternehmen mit professioneller Gründlichkeit bewerten; ganz ohne Bürokratie.

Grösse ist vielleicht auf dem Basketballfeld ein Vorteil, an der Börse können Kleinsein, Beweglichkeit und Geduld eine Superkraft sein.



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