26. September 2012

Boris Collardi
Generation Global

Wie CEO Boris Collardi mit und an der Privatbank Julius Bär wachsen will.

(Text), Marc Schäfer (Foto)



Jüngster Bankenchef der Schweiz, grösste Transaktion der Privatbank seit 2005, jüngster CEO eines SMI-Unternehmens: Wenn man derzeit über den Mann an der Spitze des traditionsreichen Bankhauses Julius Bär spricht, kommt man um Superlative kaum herum.

Und tatsächlich: Der Werdegang von Boris Collardi ist beispiellos. Nach Abschluss des Gymnasiums in Nyon, begann er 1993 seine Karriere als Trainée bei der Credit Suisse, wo er innerhalb von 10 Jahren bis zum Chief Operation Officer (COO) der Vermögensverwaltung Europa aufstieg. Begleitet wurde er dabei von Alex Widmer, der als Ziehvater Collardis gilt. Widmer war es auch, der ihn 2006 zu Julius Bär holte. Dort arbeitete der Westschweizer zunächst ebenfalls als COO. Mit nur 33 Jahren landete er im Branchenmagazin Wealth Bulletin auf der Liste der «40 Rising Stars in European Wealth Management». Kaum ein Jahr später übernahm er den Posten des CEO bei Julius Bär. Seitdem hat Collardi sich hier einer klaren Akquisitions- und Wachstumsstrategie verpflichtet – und den Unternehmenswerten «Care, Passion und Excellence». Wobei er «Excellence in allem, was wir tun» als zentralsten Anspruch formuliert.

Senkrechtstarter mit Bodenhaftung

Auf der einen Seite gilt der CEO als Überflieger, auf der anderen als «volksnaher» Chef, der nicht vergisst, «dass ich meine und damit die Ziele der Bank nicht alleine erreiche, sondern mit einem grossartigen Team – den Mitarbeitenden an allen 40 Standorten – das mir den Rücken stärkt». Mit seiner Viersprachigkeit kann er fast jeden dieser Mitarbeiter in seiner Muttersprache ansprechen und schafft so von Anfang an Distanzen ab. Hinzu kommt seine Jugendlichkeit, die wohl auch dafür sorgt, die Berührungsängste mit dem CEO klein zu halten. Collardi selbst schätzt den direkten und unkomplizierten Umgang mit den Mitarbeitern. «Wenn jemand intern ein Anliegen hat, ist die Hemmschwelle, einen Termin mit mir zu vereinbaren, sehr tief. Die Leute wissen, dass ich für sie da bin.«Zumindest wenn er da ist. Denn auch der Kundenkontakt ist ihm wichtig: Der heute 38-Jährige reist viel und gern in die verschiedene Märkte, hat in den letzten drei Jahren Hunderte von Kunden persönlich getroffen und legt grossen Wert darauf, nahe an deren Bedürfnissen zu sein. Es liegt ihm nicht, ausschliesslich von seinem Pult aus zu führen, er ist lieber mitten im Geschehen. Bedenken, die Führung des in Zürich ansässigen Bankhauses könnte unter den vielen Reisen leiden, kann Collardi nicht teilen: «Ich denke, die strategische Führung eines Unternehmens ist nicht daran gebunden, wie viel Zeit ein Manager im Hauptsitz verbringt. Ausserdem kann ich mich voll und ganz auf meine Kollegen im Executive Board verlassen, d. h. auch wenn ich längere Zeit in unserem zweiten Heimmarkt Asien verbringe, läuft alles weiter». Und es läuft offensichtlich gut: Im ersten Halbjahr 2012 stieg das verwaltete Vermögen auf 179 Milliarden Franken – einen neuen Höchststand. Trotzdem verblassen diese Zahlen im Hinblick auf den jüngsten Deal in der Geschichte der Zürcher Privatbank: die Übernahme des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäftes der US - Bank Merrill Lynch. Denn durch den Zukauf könnte sich innerhalb der nächsten zwei Jahre das verwaltete Kundenvermögen mit einem Schlag um 40% auf über 250 Milliarden Franken erhöhen. Rund zwei Drittel davon kommen aus Wachstumsmärkten dazu. Am Ende würden rund die Hälfte der von Julius Bär verwalteten Vermögen aus Wachstumsmärkten stammen. Für Collardi ist der Deal ein weitererKarrierehöhepunkt. Aber einer, den es nicht geschenkt gibt: Neben den rund 1.5 Milliarden Franken, die Julius Bär die Akquisition des noch defizitären Geschäfts kosten dürfte, gilt es jetzt für den Bankenchef seine internationale Erfahrung einzusetzen, um die unterschiedlichen Kulturen der beiden Häuser miteinander zu vereinen. Angesichts seines Arbeitsmottos, das «Deliver» lautet, kann man aber davon ausgehen, dass ihm diese Herausforderung Freude macht. Denn nichts liebt der Mann an der Spitze mehr als zu liefern: Zahlen, Fakten, Erfolgsmeldungen.

Asien als zweite Heimat

Neben den Herausforderungen, die mit dem neuesten Deal verbunden sind, gilt das besondere Augenmerk von Julius Bär nach wie vor dem asiatischen Markt. Auch ein Grossteil der von Merrill Lynch verwalteten Vermögen stammt von Kunden aus Asien.

„Man muss das
Gespür haben, um im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen..“

Ausserdem gab der Konzern kürzlich seine Kooperation mit der Bank of China bekannt. Nach der Partnerschaft mit dem australischen Finanzinstitut Macquarie, ist dies bereits die zweite strategische Verbindung in der Region. Sie umfasst zunächst nur die gegenseitige Zuweisung von Kunden: Julius Bär bekommt Zugang zu chinesischen Private Banking Kunden während in China aktive Julius Bär Kunden auf die Dien4stleistungen der Bank of China zugreifen können. In einem zweiten Schritt soll darüber hinaus ein Austausch im Produktund Researchbereich folgen. Es gibt also weiterhin viel zu tun für den ambitionierten Bankenchef, der grossen Wert darauf legt, dass seine Taten und Worte Hand und Fuss haben. Erschrecken dürften ihn die anstehenden langen Arbeitstage nicht. Tatsächlich nennt er, neben seinen Mentoren, seinen «Einsatz» als wichtigsten Erfolgsfaktor seiner Blitzkarriere. Es sei wichtig, «an sich zu glauben, mit Ausdauer und viel positiver Energie dran zu bleiben und immer daran zu denken, dass man von anderen viel lernen kann». Ausserdem müsse man das Gespür haben, um im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ob die Entscheidung für den bislang teuersten Zukauf seiner Karriere richtig war, werden die kommenden Monate und Jahre zeigen. Dass Boris Collardi ein Gespür für Gelegenheiten hat und diese auch zu nutzen weiss, zeigt er bereits seit seinem Eintritt ins Private Banking Business vor 17 Jahren.