Seit 2003 ist Dr. Geoffrey Scott als CEO an der Spitze der Uster Technologies AG, einem internationalen Hersteller für Qualitätsmessund -sicherungssysteme für die Textilindustrie. Er führte das Unternehmen erfolgreich durch zwei Management Buy Outs, den Börsengang und die Übernahme durch Toyota Industries Corporations Ltd.
„Behandle jeden so, wie auch du behandelt werden möchtest.“
Dr. Geoffrey Scott ist bereits seit 1999 im Unternehmen – damals war er noch CEO der Zellweger Uster Division bei Zellweger L uwa. Den Unternehmensslogan «Think Uster – Think Quality» hat er über die Jahre auf seine Weise interpretiert. «Qualität impliziert mehrere Aspekte. Zum einen geht es um bestimmte Erwartungshaltungen. Zum anderen geht es um Beständigkeit – darum, dass man sich auf etwas verlassen kann.» Übersetzt in seinen Führungsstil bedeutet das, sicher zu stellen, dass die Erwartungen an seine Mitarbeitenden klar und deutlich kommuniziert werden. Und – das ist sein wichtigstes Credo – dass er dabei «jeden so behandelt, wie ich behandelt werden will». In seinem Falle heisst das: ehrlich, offen und zuverlässig.
Manager oder Leader? Leidenschaft oder Enthusiasmus?
Was seine Rolle angeht, gibt es für den CEO kein Patentrezept. Er sei – je nach Situation – mal Manager, mal Leader. Den Unterschied erklärt der 58-Jährige wie folgt: «Ein Manager gibt Anweisungen und sagt den Leuten, was sie zu tun haben. Ein Leader kreiert eine Vision und vermittelt den Mitarbeitenden eine Idee davon, wo das Unternehmen hin will und was man gemeinsam erreichen soll.» Natürlich kann es schwierig sein, die Management- Rolle abzulegen, wenn man diese jahrelang Inne hatte. Aber sobald man einen Grossteil seiner Zeit damit verbringe, seine Mitarbeitenden zu coachen und sie auch dazu motiviere, die Dinge auf ihre Weise anzugehen, wüsste man, dass man es geschafft habe, so Scott. Coaching ist in Krisenzeiten nicht die geeignete Führungsweise: «In einer solchen Phase braucht man jemanden, der die Kontrolle und Verantwortung übernimmt und klar sagt, was zu tun ist. Und dann wiederum gibt es Zeiten, in denen es besser ist, den Mitarbeitenden mehr Raum für eigene Entscheidungen und persönliche Entwicklung zu geben, ohne sie jedoch allein zu lassen.» Fehler findet der CEO in diesem Zusammenhang nicht so schlimm, so lange man aus ihnen lernt und so Erfahrung aufbaut. Was er allerdings – im geschäftlichen Kontext – überflüssig und sogar gefährlich findet, ist Leidenschaft. «Ich finde Leidenschaft ist im Beruf ein völlig unangebrachter Begriff. Wenn jemand etwas mit Leidenschaft tut und dabei nicht umsichtig ist, besteht die Gefahr, dass man Dinge übersieht, um die man sich eigentlich kümmern müsste. Enthusiasmus muss da sein. Aber ‹Leidenschaft› hat im Business für mich immer einen etwas fanatischen Beigeschmack. » Fragt man ihn nach seinem eigenen «Enthusiasmus», also nach dem, was ihn antreibt, antwortet er: «Ich muss mit etwas beschäftigt sein, das sinnvoll ist und Bedeutung hat.» Im Interview äussert sich der CEO zur Bedeutung von Kundenzentriertheit, der Übernahme durch Toyota und der Definition von Qualität im Business wie im Privaten.
Uster Technologies hat sich dem globalen Textilmarkt verschrieben. Wem sollte sich die Führungsmannschaft von USTER verschreiben?
Zu allererst unseren Kunden. Denn der einzige Grund, warum wir hier sind, ist der, dass es Menschen gibt, die unsere Produkte kaufen. Um ihren Bedürfnissen nachzukommen, setzen wir vor allem auf Innovation und Qualität. Wir investieren über 10 % unseres Umsatzes in Innovationen – das ist weitaus mehr als in der Branche üblich und entspricht eher dem Standard eines Pharmakonzerns. Ausserdem profitieren wir davon, dass wir unseren Kunden in den letzten 60 Jahren genau zugehört haben und heute wissen, was diese brauchen und wie wir sie dabei unterstützen können, ihre Probleme zu lösen. Wir verstehen deren Geschäft bis ins Detail und können ihnen so wirklich weiterhelfen. Für uns sind Kunden auch Partner. Denn nur wenn man eng zusammenarbeitet, viel miteinander spricht und versteht, was der Kunde braucht, kann man ihm einen optimalen Mix aus Qualität und Produktivität bieten. Oft muss man sich ja für das eine oder das andere entscheiden. Über die Jahre haben wir unser Angebot stetig ausgebaut. So bieten wir der Industrie beispielsweise Benchmarks an, mit denen Kunden gleich von Anfang an – also bei der Auswahl der Baumwolle – den Qualitätsstandard ihres Garns spezifizieren können.
Können Sie nach der Übernahme des Unternehmens durch Toyota Ihren Führungsstil beibehalten oder muss er sich in der grösseren Organisation ändern?
Zunächst einmal: Die beiden Unternehmen sind sich sehr ähnlich. Beide zeichnen sich durch einen ausgeprägten Kundenfokus und eine ebenso ausgeprägte Konzentration auf Qualität aus. Beide teilen die Ansicht, dass Innovationen ein wesentlicher Erfolgsmotor für die Zukunft sind. Ausserdem wurde 1924 die erste vollautomatisierte Webmaschine von Toyota patentiert. Mit dieser Beteiligung geht Toyota also auch zurück zu den eigenen Wurzeln – in Japan ist es sehr wichtig, daran zu denken, wo man herkommt. Und das ist bei Toyota eben die Textilindustrie. Überlappungen haben wir keine, da Toyota im Webbereich tätig ist und wir im Bereich der Qualitätsmess- und -sicherungssysteme. Aber man kann sicherlich voneinander lernen. Trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten wird USTER momentan als unabhängiges Tochterunternehmen geführt und ist vollkommen eigenständig. Wir haben freie Hand, immer noch dieselben Produkte, denselben Namen, dieselbe Kundenzentriertheit und den damit verbundenen Innovationsfokus.
Seit über 60 Jahren widmet sich USTER der Qualitätskontrolle von Fasern und Garnen – gibt es einen «roten Faden», der sich seitdem durch die Unternehmensführung zieht?
Was das Unternehmen schon immer antrieb, ist der Anspruch, den Kunden einen Nutzen zu bieten. Wir alle sind sehr stolz darauf, dass wir eine hochtechnologisierte Firma sind, die sich auf Innovationen fokussiert hat. Und wir sind wirklich gut darin, innovative Technologien einzusetzen, um die Probleme unserer Kunden zu lösen. Den Hauptanteil an diesem Erfolg haben die Mitarbeitenden, die es gut verstehen, Technologie in diesem Sinne anzuwenden.
Welche Erkenntnis ist für Sie erfolgstreibend?
Ich habe schon häufiger mal gehört, man müsse «Kundenerwartungen übertreffen». Aber wenn man mit einem Business Geld verdienen möchte, muss man die Erwartungen der Kunden erfüllen. Und zwar so, dass diese das Gefühl haben: Das ist genau, was ich wollte. Wir schaffen die ideale Win-Win-Situation.
Dr. Scott, wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Dann bin ich 68 Jahre alt. Ich könnte also in Rente sein, werde ich aber vermutlich nicht – zumindest nicht komplett. Ich stelle mir vor, nicht mehr so viel zu arbeiten wie heute und somit hoffentlich Zeit zu haben, mein Golf Handicap zu verbessern. Bestimmt werde ich mich immer noch beruflich engagieren – vielleicht als Business Angel, der Hilfestellung und Tipps gibt. Ich habe so viel gemacht und gelernt und hätte mir manchmal auf meinem Weg jemanden gewünscht, der mir dies oder jenes gesagt hätte. Meine Erfahrung würde ich gerne weitergeben und teilen.
Was ist für Sie Lebensqualität?
Die richtige Work-Life-Balance. Ich gehöre nicht zu den Menschen, für die Arbeit alles bedeutet. Sie ist wichtig und bringt eine Menge Erfüllung und Befriedigung mit sich. Ich bin mir jedoch bewusst, dass ich ohne eine starke Familie im Rücken niemals da wäre, wo ich heute bin.
Haben Sie ein persönliches Lebensmotto?
Da gibt es mehrere: Zunächst muss man sich klar werden, was man will und in welche Richtung man gehen möchte. Erst dann kann man wirklich an das glauben, was man tut. Ausserdem treibe ich mich und die Menschen in meinem Umfeld dazu an, Aussergewöhnliches zu leisten. Manchmal machen die Leute Scherze darüber, dass ich nie zufrieden bin. Aber das ist okay: «Riskiert mal etwas, macht Fehler und lernt daraus.» Wichtig ist, dabei nicht panisch zu werden – und nicht aufzugeben: Es gibt immer eine Lösung. Man muss nur herausfinden, welche es ist.