Martin Senn
Von Werten und mehr Werten

Wie CEO Martin Senn die Zurich zur weltbesten Versicherung machen will.

Hermann Stern (Text), Marc Schäfer (Foto)


Seit 2010 ist Martin Senn CEO der Zurich Insurance Group, die 2011 einen Nettogewinn von 3.8 Milliarden US Dollar erzielt hat. Im Interview spricht er über Massstäbe, Mitarbeiter und Motivation.

Ihre Schlüsselwerte sind Integrität, Kundenfokus, Exzellenz, Teamwork und die Schaffung nachhaltiger Werte. Was bedeutet das für Sie und Ihr Führungsteam?

Sie sind unser Massstab: Wenn etwas nicht dem höchsten Standard an Integrität gerecht wird, unseren Kunden nicht von Nutzen ist und keinen nachhaltigen Mehrwert für unsere Aktionäre schafft, machen wir es nicht. Gleichzeitig streben wir Spitzenleistungen an und arbeiten als globales Team zusammen. Dieses Engagement kann nur Mitarbeitenden kommen,die sich ermächtigt fühlen, eigene Entscheidungen zu treffen, sich freuen zur Arbeit zu kommen und sich selbst immer wieder dazu bringen,

ihr Bestes zu geben. Wir müssen unsere Mitarbeiter motivieren, ernst nehmen und Vertrauen bilden, um gemeinsam etwas Grossartiges zu schaffen.

Sie haben sich vom Banklehrling beim damaligen Bankverein an die Spitze der Schweizer Führungskräfte hochgearbeitet. Wie hat das Ihren Führungsstil geprägt?

Er hat mir ein tiefes Verständnis für jeden Standpunkt in einer Organisation gegeben und mich gelehrt, dass man jede einzelne Person in einem Unternehmen respektieren muss, sich ihre Sicht der Dinge anhören und immer sicherstellen muss, dass sie ein gemeinsames Verständnis der Richtung, in die die Organisation gehen möchte, teilt.

Sie haben einmal gesagt: «Die Zurich soll die beste Versicherungsgesellschaft der Welt werden.» Was verstehen Sie darunter?

Es ist unsere erklärte Ambition, der beste globale Versicherer aus Sicht unserer Kunden, Aktionäre und Mitarbeitenden zu sein. Dafür bauen wir unser Geschäft nachhaltig aus – gemäss dem «Zurich Way» mit Disziplin und Fokus. Wir möchten ausgezeichnete Produkte anbieten und unseren Kunden helfen, Risiken zu verstehen und sich vor ihnen zu schützen. Durch unsere globalen Fähigkeiten werden wir effizienter, widerstandsfähiger und beweglicher. Hierfür müssen wir die besten Mitarbeitenden gewinnen, halten und entwickeln, unsere Prozesse und Systeme optimieren und einen Wettbewerbsvorteil schaffen, indem wir Best Practices austauschen.

Sie führen rund 60'000 Mitarbeiter in über 170 Ländern. Worin liegt dabei Ihr Fokus?

60'000 Mitarbeitende können extrem viel erreichen. Hierfür müssen alle zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Eines der ersten Dinge, die ich als CEO machte, war unsere Managementstruktur und die Berichtswege zu vereinfachen, um den Mitarbeitenden mehr Klarheit über ihren Platz im Unternehmen zu geben. Und ihnen besser zeigen zu können, wie ihre Aufgabe uns auf dem Weg zum besten globalen Versicherer unterstützen kann.

Ann Haugh ist seit August 2012 neuer Chief of Staff bei der Zurich. Gibt es bezüglich Frauen im Top Kader eine bestimmte Philosophie im Unternehmen?

Wir wollen die richtige Person mit den richtigen Qualifikationen im richtigen Job. Bei Z urich sind Frauen auf sämtlichen Führungsebenen vertreten, z.B. im Verwaltungsrat und in der Konzernleitung. Bei unseren Lehrlingen streben wir ein ausgewogenes Verhältnis an.

Sie leiten erfolgreich einen Weltkonzern und haben dennoch den Spitznamen «Martin who?» bekommen, der auf Ihre Zurückhaltung in den Medien anspielt. Kränkt Sie das?

Nein, das kränkt mich überhaupt nicht. Als ich die Position des CEO von Zurich übernahm, hatte ich bewusst eine geringe Medienpräsenz. Diese half mir, mich in meinem ersten Jahr als CEO voll und ganz auf meine neue Aufgabe zu konzentrieren.

Wenn man immaterielle Werte versichern könnte, was würden Sie gerne versichern?

Gemeinschaft. Eine der schlimmsten Auswirkungen von grossen Katastrophen ist, dass sie nicht nur Eigentum zerstören, sondern oft auch Gemeinschaft. Wir können Häuser wieder aufbauen, aber würde es eine Möglichkeit geben, den Geist der Orte und die Verbindung der Menschen, die dort gelebt haben, wieder zum Leben zu erwecken – das wäre wunderbar.