Rudolf Hadorn ist einer, der das Risiko nicht scheut. Er entscheidet auch in heiklen Situationen rasch. Dies tut er ganz bewusst: „Entweder entscheidest du oder es wird über dich entschieden.“ Den Zugang zu Themen holt er sich über Fakten und er verlange einen hohen Bedarf an Fakten, was nicht immer alle erfreue. Das erstaunt nicht. Denn er war während mehreren Jahren als Finanzchef tätig und besitzt ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium.
Beim Entscheidungsprozess rücken die Fakten dann etwas in den Hintergrund. Entscheidungen fällt er letztendlich aufgrund von Erfahrung und Instinkt. Nur so kann Rudolf Hadorn das Blickspektrum verengen und schnell, klar denken. Dies musste der 52-Jährige gleich zu Beginn seiner Zeit bei Gurit beweisen. Wir schreiben das Jahr 2007 und der Verbundwerkstoff-Hersteller sieht sich in einer heiklen Lage.
Die Hälfte des gesamten Geschäfts wird mit nur zwei Kunden und einer vom Technologiewandel bedrohten Produktgruppe aus dem Windenergie-Markt betrieben und es ist absehbar, dass diese aufgrund eines Technologiewandels bald wegfallen. Zudem ist die Entwicklung des Windenergie-Marktes aufgrund der starken Abhängigkeit von staatlichen Subventionen kaum abzuschätzen. Der CEO spricht von „sehr bitteren Jahren“ für sein Unternehmen. Der Verbundwerkstoff-Hersteller musste Umsatzverluste stets mit anderen und neuen Geschäftsfeldern decken. Dies gelang nicht immer so, wie es der ambitionierte Chef gerne gehabt hätte. Im letzten Jahr stellte sich nun das von Gurit antizipierte Wachstum als Netto-Wachstum fürs Gesamtunternehmen ein.
Mit dieser Leistung erzielte Gurit im Wachstumsranking der Obermatt-Ranglisten den Spitzenrang. „Das ist primär eine Anerkennung für das Team und ich bin das externe Gesicht des Teams“, sagt der stolze Konzernleiter.
„Nur wenn die Partnerschaft gut funktioniere, bekomme man wertwollen Input zurück.“
„Ich brauche kein eigenes Büro.“
Rudolf Hadorn fühlt sich bei Gurit wohl. Er schätzt die übersichtliche Grösse des Unternehmens, die einen sehr starken Markt- und Kundenbezug ermöglicht. Das ist ein Aspekt, der ihm persönlich wichtig ist. Er will mit den Schlüsselkunden klare und direkte Beziehungen pflegen. Das sei äusserst wertvoll, denn nur wenn die Partnerschaft gut funktioniere, bekomme man wertwollen Input zurück. Und man hat den Eindruck er kommt mit allen Leuten klar, denn er wirkt sehr umgänglich, trägt am liebsten ein legeres modisches Hemd, lässt den Veston über der Stuhllehne und hört seinem Gegenüber aufmerksam zu. Für konstruktiven Input von den eigenen Mitarbeitern ist Rudolf Hadorn stets erreichbar. Er ist im Büro auf den ersten Blick nur Einer von Vielen. „Viele Leute sind erstaunt, dass ich kein Chefbüro habe, aber wer mich kennt, ist es nicht.“
Ein Stück Schweiz in China
Zu Beginn seiner Zeit beim global tätigen Unternehmen Gurit war der Wahl-Zürcher viel unterwegs. Er verbrachte bis zu 25% seiner Arbeitszeit in China. Denn um diese Zeit boomte der asiatische Windenergie Markt und hat bis heute einen Weltmarktanteil von über 50% erreicht. Bei Gurit schätzte man dieses Entwicklungspotential richtig ein und baute frühzeitig einen Standort in China auf. Wie Rudolf Hadorn sagt, ist der Mix zwischen der chinesischen und der schweizerischen Philosophie wichtig: „Wir versuchen zentrale Werte zu legen. Das sind durchaus schweizerische Werte, aber mit chinesischen Elementen. Wir haben chinesische Leute, die vor Ort erfolgreich arbeiten. Ich bin stolz, wie sich das Team entwickelt hat.“
Martin Schneider, BRAINFORCE AG: Was ist Ihnen bei leitenden Mitarbeitern besonders wichtig?
Rudolf Hadorn: Eine schlechte Nachricht soll gleich schnell reisen wie eine gute. Das ist mir persönlich wichtig. Das zweite Anliegen ist eine dezentrale Führung. Wir sind nicht eine voll integrierte Firma. Nehmen wir das Beispiel China mit dem Formenbau: Ich bin dort zwar noch heute ab und zu anzutreffen, aber ich vertraue darauf, dass das Team vor Ort in Asien seinen Job zu grösster Zufriedenheit erledigt. Ich versuche soweit es möglich ist, starke lokale Teams aufzubauen.
Wie ist Ihr Führungsstil?
Mein Führungsstil ist sicherlich sehr direkt. Manchmal gar ein wenig zu direkt. Ich bin ambitioniert und möchte mit meiner Mannschaft die Ziele stets erreichen. Um das zu erfüllen, muss ich schauen, dass das Unternehmen vorwärts kommt. Ich schätze vor allem den Kunden- und Partnerkontakt und für mein Team bin ich als Führungsperson sehr gut zu erreichen.
Würden das Ihre Mitarbeiter bestätigen, was sagen die über Sie?
Sie würden sagen, ich bin nahe am Geschäft - manchmal ist das gut, manchmal auch nicht, das weiss ich selber. Weiter, dass ich zielverbunden bin und wenn es Schwierigkeiten gibt, die Flinte nicht ins Korn werfe sondern die Sache über mehrere Jahre hinweg durchziehe. Bezüglich Leadership würden sie möglicherweise sagen, dass ich viel Geschäftserfahrung habe und ein Allrounder bin. Zudem, dass mein Interesse beim Technischen sowie beim Kunden liegt. Ich entscheide schnell und dass ich sehr risikofreudig sein kann, wenn es um neue zukunftsträchtige Geschäfte geht.
Sie sind nun schon seit über zehn Jahren als Konzernleiter tätig. Seit gut sieben bei Gurit und zuvor bei dem Technologie-Unternehmen Ascom. Wird man als CEO geboren oder eignet man sich das an?
Geboren wird man sicher, soviel steht fest! Alles andere ist Führungserfahrung, Gestaltungsfreude, Gestaltungswille, die Freude aber auch die Pflicht mit Verantwortung umzugehen, Wissbegierigkeit und Geschäftstüchtigkeit. Zudem muss ein CEO gut verhandeln können und in der Lage sein, sowohl Risiken als auch die Chancen zu sehen. Zu mir persönlich: Ich habe in den letzten 25 Jahren enorm viel gelernt, da ich zumeist weltweit tätig war und dies in drei verschiedenen Branchen. Das gibt einen gewissen Erfahrungs- und Einschätzungsschatz, auch punkto Selbsteinschätzung. Ich sage immer, das sei meine eigene Werkzeugkiste in der es viele Sachen drin hat, gewisse sind verstaubt, andere noch ganz neu.
Wann ist bei Ihnen das Gefühl entstanden, dass Sie CEO werden möchten?
Ich spürte schon immer einen gewissen Gestaltungsdrang. Ich will Menschen und Situationen in positiver Art und Weise moderieren und beeinflussen. Zudem war ich schon immer praktisch veranlagt. Das sehe ich als grossen Vorteil für mich. Ich habe in meiner bisherigen Karriere schon viele Sondersituationen erlebt. Sei es bei General Motors mit Werksgründungen und Werksveränderungen oder später bei der Ascom, als es ebenfalls eine Transformation vom Feinsten gab. Schwierige Posten zu übernehmen, braucht immer auch eine grosse Portion Mut. Es ist ein persönliches Risiko dem ich jeweils offen gegenüber gestanden bin. Wenn du diese Risiken eingehst und sie überstehst, dann kannst du wachsen. Entsprechend kamen meine Nominierungen. Ich bin dankbar, dass ich jetzt bei Gurit bin. Einem Unternehmen das wachsen möchte, jedoch kein Grosskonzern ist. Ich finde, dass meine Persönlichkeit am besten in ein Unternehmen wie Gurit passt.
Die Strategie von Gurit scheint auch dieses Jahr aufzugehen. Die Halbjahreszahlen sind erfreulich. Mit Prognosen sind Sie meist sehr zurückhaltend. Sie haben offensichtlich eine Affinität zur Realität. Waren Sie schon immer ein Realist?
Ich bin einer meiner grössten Kritiker. Ich habe ein grosses Mass an Selbstkritik und das bewahrt mich vor Illusionen sowie Bocksprüngen. Was man vermeiden sollte, ist die Transparenz des Marktes zu überschätzen. Die Nachfrage-Entwicklung verhält sich je nach Markt unterschiedlich. Vor drei Jahren sagte ich jeweils: "Ein Tag Windenergiedynamik ist wie einen Monat in der Marine, ist wie ein Jahr im Aerospace." Man sollte den Markt nicht versuchen zu überinterpretieren. Vorsicht kommt vor Versuchung.
Auch Realisten haben Visionen. Wie sieht Ihre eigene aus?
Ich will es mit Gurit und den Produkt- sowie Marktausrichtungen schaffen, ein gutes, gesundes Wachstum zu generieren. Gurit soll sich stetig weiterentwickeln. Wir wollen und werden neue Wege gehen und dafür Risiken eingehen. Wir müssen die Balance finden zwischen Komplexität und Wachstum. Das ist die grosse Herausforderung. Denn wer zu stark in die Breite streut, verliert das Momentum.
Lauern noch weitere Herausforderungen in der nahen Zukunft?
Die grosse Herausforderung an das Management-Team ist, dass wir in den nächsten Jahren die richtigen Schwerpunkte setzen. Wir müssen diese Schwerpunkte finden zwischen grossen vertikalen Märkten, wie der Windenergie, der Luftfahrt oder anderen kleineren Nischen, die auch attraktiv sind. Wenn wir in den Nischen einen genügend grossen Marktanteil erreichen können, müssen wir das versuchen. Ich arbeite auch am Management-Team selbst. Ich will stets ein starkes Team um mich herum haben.
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