Eine höhere Rendite, also die prozentuelle Veränderung des Aktienwerts gegenüber dem Vorjahr, Vormonat oder Vortag, ist die bessere Rendite als eine tiefe – das ist logisch. Aber das ist nicht immer so zu erkennen.
Mit dem Betrachtungsabstand verändert sich die vermeintliche Wahrheit. Und Anleger neigen dazu, ihre Papiere aus der Nähe, also kurzfristig zu beobachten.
Wer aber nur die letzten Tage, Wochen oder Monate der Performance betrachtet, kann sich leicht irren. Er sieht nämlich nur einen spezifischen Ausschnitt – je nachdem einen mit positiver Tendenz oder einen mit negativer.
Und daraus die Zukunft abzuleiten, ist in etwa so sinnvoll wie aus einem verregneten Tag zu schliessen, dass nie mehr die Sonne scheinen wird.
Wie die folgende Grafik zeigt, ist die blaue Rendite von Wertpapier 1 die höhere und damit gewinnbringendere als die rote von Wertpapier 2. Doch es gibt mehrere Momente, in denen es umgekehrt scheint: wenn die Renditen sich überschneiden.
Das ist hier viermal der Fall: Die rote Rendite steigt und übertrifft die fallende blaue Rendite. Betrachtet man nur diesen spezifischen Zeitpunkt, etwa bei der Lektüre einer Tageszeitung oder eines Aktiendepots, gewinnt man durch diesen Tunnelblick den Eindruck, die Investition in das Wertpapier 2 sei sinnvoll, ebenso der Verkauf von Wertpapier 1.
Ein Blick auf den Gesamtverlauf der beiden Kurven zeigt jedoch klar, auf welche Aktie man setzen soll. Diese Einsicht kann aber nur haben, wer Renditen langfristig betrachtet – und deren Schwankungen verinnerlicht.
Diese können sich ohne weiteres im zweistelligen Bereich abspielen und dadurch völlig verzerrte Momentaufnahmen liefern. Dem Anleger sei daher etwas nahegelegt; so etwas wie "Betrachtungsgeduld" zu üben.